• Misstrauenseinkehr

    Strategie der Abschreckung

    Strategie der Abschreckung

    Früher standen in den Dörfern die Türen (fast) jederzeit offen, die Tore vor den Grundstücken, so es sie überhaupt gab, waren aufgesperrt, die Zäune niedrig. Letzteres schon deshalb, um jederzeit einen Schnack über den Gartenzaun führen zu können, ohne sich den Hals zu verrenken.

    Mittlerweile gibt es auch hier vermehrt Häuser, deren Besitzer ihre Grundstücke absperren, aus Angst, jemand könnte ihren wohlverdienten Parkplatz wegnehmen oder – noch schlimmer – vielleicht sogar einen Fuß auf die liebevoll geteerte Garageneinfahrt setzen. Schilder drohen widerrechtlichen Parkern mit dem Abschleppdienst und Garageneinfahrtfußsetzern mit Videoüberwachung.

    Oft kommen die besonders Sicherheitsbedürftigen aus der Stadt, wo abschreckende Schilder an der Tagesordnung und Ketten oder andere Barrikaden vor Einfahrten Standard sind. Klar. Dort, wo Parkplatzmangel herrscht, stellen sich die Leute gern mal in oder direkt vor fremde Grundstücke. Oder lassen ihre Hunde auf fremdem Besitz ihr Geschäft verrichten.

    Viele Städter, die sich ihren Traum vom Landleben erfüllen und ein Häuschen in einem kleinen Dorf kaufen (es ist ja so billig!), haben davon genug. Das ist einer der Gründe, warum sie – zumindest am Wochenende – raus aus der Stadt und das Landidyll genießen wollen. Nach dem Wochenende jedoch sind sie wieder fort. Zurück bleibt ihr Misstrauen in Form von Ketten und Schildern. Dabei gibt es hier genug Parkplätze. Davon einmal abgesehen, dass auch die Nachbarn widerrechtliche Parker und renitente Hundebesitzer auf ihr „Vergehen“ aufmerksam machen würden.

    So ist es nämlich auf dem Dorf (oder sollte es zumindest sein): In einer intakten Nachbarschaft kümmert sich der eine um den anderen und ist auch dann nicht böse, wenn mal kurz ein fremder Wagen vor der eigenen Einfahrt parkt. Etwa, um etwas auszuladen. Und sollte man selbst just in diesem Moment aus der Einfahrt müssen, hat man ja einen Mund …

    Eine intakte Nachbarschaft heißt übrigens nicht, dass man sich immer und überall in die Angelegenheiten des anderen einmischt. Aber man hilft dem anderen, wenn Not am Mann ist. Viele Städter (nicht alle natürlich, denn auch in Städten gibt es intakte Nachbarschaften) sehnen sich genau danach. Nicht unbedingt nach mehr Nähe, aber nach mehr Vertrauen untereinander.

    Nur schade, dass sie uns immer genau dann zu misstrauen scheinen, wenn sie nicht vor Ort sind. Da helfen dann auch keine Fußmatten oder Wimpel, auf denen in Großbuchstaben „Willkommen“ steht. Die Ketten und Verbotsschilder sprechen nämlich eine ganz andere Sprache.

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