Schreiben ist toll. Veröffentlichen auch. Bis … ja, bis die ersten negativen Rezensionen eintrudeln. Manche Menschen schaffen es zwar, diese zu überlesen. Andere haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und sagen: „Was stört es den Mond, wenn ihn ein Hund anheult?“. Doch bei vielen kratzt die Kritik am Ego. Okay, wenn es nur ein oder zwei Leute sind, die das Geschriebene doof finden, mag das noch gehen. Doch wenn die Mehrzahl der Leserinnen und Leser die gleichen Dinge bemängelt, sollte man sich schon fragen, ob an ihrem Urteil nicht doch was Wahres dran ist.
Natürlich: Kritik anzunehmen kann weh tun. Sie kann Schreibende erstmal entmutigen. Allerdings kann Kritik sie in ihrer Entwicklung auch weiterbringen. Ich gehe jetzt nicht so weit wie manche Motivationstrainer, die sagen, es gäbe keine Kritik, nur Feedback – und jedes Feedback sei ein Geschenk*. Denn wenn Geschenke weh tun, verzichte ich lieber darauf. Trotzdem kann man aus Kritik, so schmerzhaft sie ist, oft etwas lernen.
Um konstruktive Kritik zu bekommen, muss man jedoch nicht gleich den ersten Text veröffentlichen, den man jemals geschrieben hat. Manche Menschen tun das nämlich. Seit es Selfpublishing gibt und alle ihre Texte problemlos hochladen können, machen das sogar immer mehr Menschen. Jedenfalls kommt es mir mitunter so vor. Ich habe schon in zahlreiche E-Books geschaut, weil mich der Titel ansprach, bin jedoch oft über die erste Seite der Leseprobe nicht hinausgekommen. Weil ich zu oft das Gefühl hatte, hier hat jemand etwas veröffentlicht, ohne sich vorher zumindest ansatzweise mit dem Handwerkszeug fürs Schreiben zu beschäftigen. Und ich spreche jetzt noch nicht mal von den Büchern mit elendig vielen Rechtschreibfehlern.
Natürlich gibt es Naturtalente, die schreiben können, ohne sich jemals auch nur mit einer einzigen Schreibregel auseinandergesetzt zu haben. Doch das sind die Wenigsten. Die meisten Menschen, die erfolgreich veröffentlichen, haben viel geübt. Und sich dabei immer wieder Kritik ausgesetzt. Genau das sollten alle, die gerade mit dem Schreiben anfangen, am besten regelmäßig tun. Es muss ja nicht gleich ein Autorenforum im Internet sein, in dem Textauszüge zuweilen harsch besprochen werden. Es reicht erst einmal ein Mensch, der ein bisschen vom Schreiben (oder Lesen) versteht und der dem Autor oder der Autorin wohlgesinnt ist. Der sich mit dem Genre auskennt, in dem der Autor oder die Autorin zu Hause ist, und es im besten Fall mag.
Nathalie Bromberger nennt solche Menschen Herzenskritiker. Menschen, die sagen, was man besser machen kann, ohne dabei gemein, neidisch oder übelmeinend zu sein. Die den Text voranbringen wollen, ihr Gegenüber dabei aber nicht kleinmachen. Die aufzeigen, wo noch Schwächen liegen, die aber auch die Stärken aufzeigen. Die sagen: „Schreib weiter, ich will mehr lesen.“ Die Autorinnen und Autoren unterstützen, wenn diese mal nicht weiterwissen.
Im Anschluss – nach wenigstens einer Überarbeitung – kann man den Text dann den Haien zum Fraß vorwerfen. Sprich einen Textauszug z. B. in einem Forum einstellen oder ihn einer Lektorin oder einem Lektor geben, um ihn im Anschluss vielleicht tatsächlich zu veröffentlichen. Oder ihn einer Agentur vorlegen, in der Hoffnung, dass diese ihn annimmt und erfolgreich an einen Verlag weitervermittelt. Jedoch auch dann sollte man Verständnis aufbringen, sollten weitere Änderungen vorgeschlagen werden.
Alles mit sich machen lassen, muss man jedoch nicht: Wer mit bestimmten Änderungen des Lektorats so gar nicht einverstanden ist, muss sie nicht annehmen. Jede Autorin/jeder Autor hat das Recht, Änderungen abzulehnen. Schließlich steht irgendwann der eigene Name auf dem Titel. Und wenn man dann nicht mehr zu seinem eigenen Buch stehen kann, ist das nicht nur ein bisschen doof.
* Danke, Sabine, für die tiefen Einblicke in moderne Motivationsmethoden.