Die alte Frau C. aus unserem Ort ist immer freundlich. Nur sehen kann sie nicht mehr richtig. Und scheinbar ist es auch ums Hören nicht gut bestellt. „Inkognito“ und „muss aufs Klo“ klingen zwar ähnlich, aber nicht gleich. Ich sage dazu jedoch nichts. Ich will Frau C. nicht in Verlegenheit bringen. Außerdem ist es womöglich meine Schuld, dass sie mich falsch verstanden hat. Ständig hängen beim Sprechen die Fransen meiner Perücke in meinem Mund.
Lebten wir in einer Faschingshochburg, wäre das nicht passiert. Dann hätte ich nämlich Routine im Faschingsperückentragen. So aber ist es mein erster Spaziergang überhaupt mit einer Faschingsperücke auf dem Kopf. Es ist mein Februarexperiment im Rahmen meines Vorsatzes, dieses Jahr jeden Monat etwas zum allerersten Mal zu tun.
Frau C. jedenfalls hat die Perücke nicht als solche erkannt. Und ich bin überrascht, dass ich unter den braunen Zotteln und dem schruppeligen Netz, an dem sie befestigt sind, nicht schwitze. Aber es ist ja auch morgens und noch kühl. Notiz für mich: Faschingsperücke beim nächsten Regen als wasserabweisenden Mützenersatz testen.
Beim Überqueren der Bundesstraße hoffe ich, dass mein wunderliches Aussehen keinen Unfall verursacht. Doch die Autos fahren viel zu schnell. Ohnehin beachtet mich keiner der Fahrer. Oder sie denken, das mit meinen Haaren muss so.
Im Ort fährt eine Bekannte an mir vorbei. Langsam. Ihr Mund öffnet sich, ihre Augen werden groß. Ihr Gesichtsausdruck erinnert mich an einen Fisch, der auf dem Trockenem nach Luft schnappt. Ich winke. Sie fängt sich, lächelt und winkt zurück.
Die Perücke verrutscht. In der einen Hand die Hundeleine, in der anderen das Smartphone ist es schwierig, sie wieder geradezurücken.
Ich beuge Kopf und Oberkörper nach vorn. Die Perücke bewegt sich mit. Mit einem Ruck richte ich mich auf, sodass die Perücke wieder in Position rutscht. Glaube ich jedenfalls. Der Gesichtsausdruck des nächsten Bekannten, dem ich begegne, sagt jedoch etwas anderes.Er wirft einen irritierten Blick auf meinen Kopf, stellt jedoch keine Fragen. Ich grinse, gebe aber keine Erklärung zu meiner Kopfbedeckung ab. Wir tauschen noch ein paar Worte, bei denen er wie das Kaninchen auf die Schlange auf meine Perücke starrt. Dann gehe ich nach Hause.
Die letzte Begegnung des Spaziergangs – die Müllwerker, die die Papiertonnen leeren – interessieren sich nur für meinen Hund, nicht für meine Perücke. Vielleicht sollte ich beim nächsten Aufenthalt im Freien dem Hund die Perücke aufsetzen?
Für „Wolfgang Amadeus“ stimmt die Perückenfarbe aber nicht. Ich würde eher sagen „Großtante Isolde“.
(Und auf dir sieht das Ding zwar ungewohnt, aber gar nicht schlecht aus.)
Großtante Isolde – ich lach mich schlapp. Werde unseren Hund ab jetzt so rufen. Bin gespannt, ob er hört! Und danke für das Kompliment. Das nächste Mal, wenn wir uns sehen, dann nur mit Perücke 😉 !