• Viel Land. Viel Schaf. Viel Deich.

    Hamburg – nicht wirklich ländlich, auch wenn Gesa das meint …

    Hamburg – nicht wirklich ländlich, auch wenn Gesa das meint …

    Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christkind, sondern wichtelt auch mein Lieblingsnetzwerk Texttreff. Das Ganze nennt sich Blogwichteln und geht so: Bloggerinnen untereinander beschenken sich gegenseitig mit Texten.

    Dieses Jahr habe ich das große Glück, dass Gesa Füßle für mich schreibt. Gesa ist als Texterin, Übersetzerin, Lektorin und Redakteurin nicht nur unter ihrer beruflichen Domain Textfuß  („Bei uns lernt Ihr Text, auf eigenen Füßen zu stehen!“) im Internet zu finden, sie bloggt unter Gesakram auch über Betten, Bücher, Banales und Besonderes. Und wer sie noch nicht beim Powerpoint-Karaoke erlebt hat, hat echt was verpasst (Standup-Comedy ist nichts dagegen!).

    Doch ehe ich jetzt zu sehr ins Schwärmen gerate und euch damit langweile: Vorhang auf für Gesa, die mir einen Text übers Landleben geschenkt hat. Tada und bitteschön:

     

    Ich habe in einem Landleben-Blog nichts verloren, ich wohne in Hamburg. Doch entgegen der land(!)läufigen Meinung gibt es auch hier Land. Viel Land. Viel Schaf. Viel Deich. Und neuerdings einen großen Supermarkt.

    Am Samstag waren wir umme Ecke bei einem Geburtstag eingeladen, mein Mann – der Essensbeauftragte unseres Haushalts – wollte Mousse au Chocolat mitbringen. Zu diesem Zwecke begab er sich in den Supermarkt und kaufte Eier und Schokolade, auch zwei Tafeln weiße Schokolade, die für den unmodifizierten Verzehr bestimmt waren. Er schäkerte mit der Kassiererin, begab sich nach Hause, bereitete zu und trug die Mousse an ihren Zielort, wo sie genüsslich verspeist wurde.

    Am Montag war meine Anwesenheit bei einer Wohnzimmerlesung angedacht, mein Mann schlug vor, mich mit Mousse au Chocolat auszustatten. Mein Vorschlag stieß bei Gastgebern und Gästen auf offene Münder. Der Mann begab sich also in den Supermarkt und legte Eier und Schokolade aufs Band.

    Die Kassiererin begrüßt ihren Stammkunden. Dann sieht sie die Schokolade.

    „Schon wieder Schokolade?“

    „Ja, ich muss noch einmal Mousse au Chocolat machen.“

    „Das gleiche Rezept?“

    „Jaaa?“ Mein Mann wird unruhig, offensichtlich hat er sich irgendwie verdächtig gemacht.

    „Und was hast du mit der weißen Schokolade gemacht? Du hast doch vorgestern auch noch zwei Tafeln weiße Schokolade gekauft.“

    Für manch einen mag das befremdlich sein. So wie für die junge Frau, die zur Hausbesichtigung in die Vierlande kam und die Hausbesitzerin informierte: „Ihr Schlüssel steckt außen an der Tür.“

    „Ja“, erwiderte die, „könnte ja sein, dass jemand rein will.“

    Im Grunde ist das Leben hier wie Payback. Die Nachbarn sammeln deine Daten, sie registrieren, was du einkaufst (und wann und in welchen Mengen) und merken sich deine Vorlieben. Im Gegenzug bekommst du Pfirsiche, Trauben, Erdbeeren, Gurken und Kürbisse aus den Nachbargärten. Bei den Umfragen („Was sachst du denn zu X/Y/Z?“) wird deine Meinung akzeptiert, wenn auch nicht anonymisiert.

    Neulich stand ich mitten am Tag auf dem Deich. Der Sohn wollte unbedingt von der Vorschule allein mit dem Bus nach Hause fahren. Ich hatte ihm angeboten, an der Heimathaltestelle auf ihn zu warten. („Aber nur das eine Mal, Mama!“) Und da stand ich nun, gut sichtbar für meine Umwelt, die besorgt anhielt und Fragen stellte. Auf der Straße gratuliert man meinem Sohn nun von allen Seiten zum Alleine-Busfahren.

    Zu viel Nähe? Oder doch zu weit ab vom Schuss? Och. Ich bin hier glücklich.

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