Meiner Großmutter war sie eine ständige Begleiterin, ebenso meiner Schwiegermutter und – Fotos nach zu urteilen – bereits deren Müttern: die Kittelschürze. Ist ja auch ein praktisches Kleidungsstück, so eine Kittelschürze. Darunter kann frau das Businesskostüm tragen und Unkraut jäten oder Gesottenes zubereiten, ohne das gute Stück mit Erdgeklumpe oder Fettgespritze einzusauen.
Trotzdem ist das Tragen von Kittelschürzen nicht mehr en vogue (genauso wenig wie der Begriff „en vogue“ übrigens). Woran das liegt? Ich schätze, das hat mehrere Ursachen:
a) Die Muster und Farben der Kittelschürzen. Kittelschürzenhersteller sind anscheinend der Ansicht, dass Kittelschürzen immer die schlimmsten Muster haben müssen – vergleichbar den braun-orangefarbenen Riesenblumen auf den Tapeten und Teppichen der 1970er Jahre. Der Grundton der Kittelschürze ist meist stahlblau, manchmal auch grell-lila oder schreiend-pink und seltener lachsrot. In einer Kittelschürze sieht deshalb jede Frau aus wie Puttchen Brammel. Davon abgesehen, dass die Kittelschürze in diesen Farben und Mustern zu keinem anderen Kleidungsstück wirklich passt.
b) Das Material der Kittelschürzen. Kittelschürzen müssen praktisch sein. Bügelwäsche ist aber nicht praktisch, sondern verursacht Arbeit. Deshalb bestehen Kittelschürzen traditionell aus Nylon, sodass sie von der Wäscheleine sofort den Weg auf den Körper finden und trotzdem wie gebügelt aussehen. Man stelle sich das vor: Nylon! Das trägt sich unangenehm und klebt an heißen Tagen am Körper, weil es den Schweiß nicht nach außen abgibt. Dadurch … ähem … riechen Kittelschürzen immer etwas, schließlich will frau sie nicht täglich waschen (wäre ja genauso unpraktisch wie Bügeln). Doch nicht nur das: Auch die Haare laden sich durch Nylon elektrostatisch auf, obwohl die meisten Kittelschürzen geknöpft und nicht über den Kopf gezogen werden. Die so entstehenden Frisuren sind durchaus extravagant, doch wenn sich die Meisen auf dem Kopf niederlassen, um in den Haaren zu nisten, ist das weniger witzig.
c) Jogginghosen haben die Kittelschürze abgelöst.
d) Frauen tragen ihr Businesskostüm selbst beim Kochen ohne Schutz.
e) Männer und Kinder erledigen die Hausarbeit (hört, hört!).
f) Es gibt zu wenig Kittelschürzenläden.
Unterpunkt f hat auf dem Land allerdings keine Geltung. Hier entdeckt man in Orten, die ansonsten über keinerlei Einkaufsmöglichkeit verfügen, Bekleidungsgeschäfte, deren Schaufensterdekoration fast ausschließlich aus Kittelschürzen besteht.
Ich habe mich schon gefragt, wie diese Läden sich halten. Meine Erklärung: Vermutlich sind es die letzten in Deutschland, die Kittelschürzen verkaufen. Sie liefern deshalb deutschland-, ach was sage ich, weltweit ihre Kittelschürzen aus. Oder aber es sind Geldwäschebetriebe, die den Verkauf von Kittelschürzen nur vortäuschen und im Hintergrund andere Geschäfte tätigen. Vielleicht aber unterhalten auch hochrentable Unternehmen gezielt Kittelschürzenläden, um Verluste einzufahren, damit die Steuerlast des gesamten Unternehmens sinkt.
Andererseits gibt es in den Dörfern natürlich nach wie vor auch Frauen, die allen Modetrends trotzen und Kittelschürzen tragen (warum eigentlich gibt es keine Kittelschürzen für Männer?). Wie gesagt: Kittelschürzen sind ja auch durchaus praktisch. Nachdem ich im Zuge meiner Recherchen für diesen Beitrag nach Bildern von Kittelschürzen gegoogelt habe, bekomme ich jetzt ebenfalls Kittelschürzenwerbung angezeigt. Ob das wohl ein Zeichen ist?
Als Crossdresser bin ich natürlich alles andere als eine Durchschnittsfrau die hier mitreden kann 😉
Aber als jemand der in den 60er Jahren groß geworden ist kann ich die Erlebnisse von Simone sehr gut nachvollziehen, die Kittelschürze gehörte damals genauso zum Alltag wie heute das Handy.
Aus meinem Teilzeit-Alltag als Crossdresser ist auch sie heute nicht wegzudenken, niemand weiß warum, aber ich liebe sie nunmal, die gute alte Nylonkittelschürze in allen möglichen Farben, Formen und Mustern. Leider konnte ich bei eBay noch kein Ticket für eine Reise in der Zeitmaschine ersteigern, aber vielleicht klappt es ja irgendwann 😉
Bis dahin, für alle Interessierte mein Blog, meine Mailadresse oder mein Yahoo unter manuela60sl.
LG Manuela
Hallo Manuela,
ein Zeitreiseticket kann auch ich dir leider nicht verschaffen (war ja wohl klar 🙂 ), aber wenn du mal Kittelschürzennachschub brauchst …
LG Simone
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