• Einfach ist nicht gleich primitiv

    Einfach, aber gut

    Einfach, aber gut

    Manche Autoren werden wegen ihrer Fähigkeit belächelt, so zu schreiben, dass jeder sie versteht. „Die- oder derjenige schreibt eben einfach“, heißt es dann, und oft schwingt dabei eine gewisse Missbilligung mit.

    Die Menschen, die dieses Urteil fällen, verkennen, dass es eine Kunst ist, mit einfachen Worten und leicht lesbaren Sätzen genau das auszudrücken, was man sagen will. Und zwar so, dass es bei den Lesern genauso ankommt, wie es sich der Schreibende gedacht hat. Wenn Sachtexte alle notwendigen Informationen (und noch einige mehr) verständlich und interessant transportieren, Geschichten problemlos zu lesen und dazu noch spannend sind und Gedichte ohne Herumgeschwurbel große Gefühle wecken, haben die Autoren der Texte erstmal alles richtig gemacht (dass der Inhalt oder auch der jeweilige Schreibstil dennoch nicht allen gefällt, ist eine andere Sache). Denn: Schwierig kann jeder.

    Ein Beispiel: In Gesprächen mit den Teilnehmern meiner Schreibworkshops stelle ich immer wieder fest, dass viele ganz erstaunt über den Tipp sind: „Vermeidet das Passiv, wo immer es geht.“ Also Sätze wie „Das Essen wird gekocht“ oder „Das Glas wird auf den Tisch gestellt“ wegzulassen. Eleganter und oft auch aussagekräftiger sind solche Sätze nämlich im Aktiv – indem man schreibt, wer das Essen kocht oder das Glas hinstellt. In diesem Fall z. B. „Holger kocht das Essen“ oder „Inga stellt das Glas auf den Tisch“.

    Bereits dieses Beispiel zeigt, dass viele Menschen beim Schreiben gar nicht darüber nachdenken, wie sie etwas einfacher (und schöner) ausdrücken können. Die Folge sind häufig Sätze oder Texte, die unnötig kompliziert sind.

    Bei Personen, die nur hin und wieder schreiben, ist das verständlich. Und auch gar nicht schlimm. Doch wer häufig schreibt, sollte zumindest ein paar Richtlinien für guten Stil verinnerlicht haben. Und guter Stil ist im Allgemeinen einfach und verständlich. Allen Unkenrufen zum Trotz ist es eben nicht leicht, einfach zu schreiben. So erfordert es beispielsweise eine Menge Gehirnschmalz, treffende Wörter zu finden, anstatt Dinge langatmig zu umschreiben, Schachtelsätze zu vermeiden oder eben das Passiv – sofern möglich – durchs Aktiv zu ersetzen. Das ist jedoch erst der Anfang …

    Ich jedenfalls freue mich jedes Mal über Texte, die trotz eines komplizierten Themas oder einer komplexen Geschichte so „eingängig“ sind, dass ich sie nicht zweimal lesen muss, um alles zu verstehen. Einfach = primitiv – diese Formel hat deshalb für mich schon lange keine Gültigkeit mehr.

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