• Katzenspucke

    Noch guckt der Kater, als könne er kein Wässerchen trüben

    Noch guckt der Kater, als könne er kein Wässerchen trüben

    Als meine Kinder klein waren, musste ich immer wieder die Geschichte von den „Bremer Stadtmusikanten“ vorlesen. Zur Erinnerungsauffrischung: Das ist das Märchen, in dem der Esel, der Hund, die Katze und der Hahn vor ihren Besitzern fliehen, sich zusammentun und gemeinsam nach Bremen ziehen, um dort Musik zu machen. Mit der Begründung: „Etwas Besseres als den Tod findet man überall“.

    Allerdings landen die Tiere statt in Bremen in einem Räuberhaus. Zusammen verjagen sie die Räuber und leben von da an glücklich und in Frieden in dem kleinen Haus im Wald.

    Jedes Mal, wenn ich die Sache mit den Räubern vorlas, musste ich erklären, was die Stelle „die Katze spie und kratzte“ zu bedeuten hatte. Okay, das mit dem Kratzen war weniger erklärungsbedürftig. Das konnten sich die Kinder noch vorstellen. Aber mit dem Wort „spie“ konnten sie nichts anfangen. Ich erklärte ihnen also, dass das die Vergangenheitsform von „speien“ ist und das Wort die Bedeutung „spucken“ hat.

    Anschließend fragten sie mich ein ums andere Mal: „Aber Mama! Wie spuckt denn eine Katze? Spuckt sie die Räuber an? Und warum rennen die dann weg?“ Genau das Gleiche fragte ich mich auch. Also zuckte ich die Achseln und versuchte mich in Erklärungen: „Vielleicht ist Katzenspucke wie Säure und verätzt den Räubern die Haut. Oder aber die Katze spuckt so viel, dass die Räuber in der Spucke fast ertrunken sind.“ (Natürlich dachten die Räuber, dass die Katze eine Hexe mit langen Fingernägeln ist, die ihnen Böses will, doch diese Passage kam im Märchen erst danach. Und natürlich nimmt man die spannenden Teile einer Geschichte als Vorleser nicht vorweg, gelle? Es ist allerdings was anderes, wenn die Kinder nach dem zehnten Vorlesen selbst anmerken: „Die Räuber glauben doch, die Katze ist ne Hexe, Mama!“)

    Wie auch immer: Jedenfalls hatte ich noch keine Katze spucken sehen. Und das, obwohl wir selbst zeitweilig fünf Katzen hatten. Das sollte sich erst dann ändern, als wir wieder einen Hund bekamen (obwohl unsere Katzen zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr lebten).

    Eines schönen Abends gingen wir mit dem Hund hinunter zur Weser, wobei wir stets einen Zaun mit Steinpfosten passieren. Auf diesen Steinpfosten liegt eine Steinplatte und auf einer dieser Platten saß an bewusstem Abend der Nachbarskater. Der sieht aus, als könne er kein Wässerchen trüben: weißer Pelz, große, immer ein wenig fragend dreinschauende Augen, nicht besonders groß und eher scheu. An diesem Abend jedoch hatte er sich anscheinend Mut angetrunken. Oder aber er wollte den Katzendamen in der Umgebung beweisen, was für ein toller Kerl er ist. Oder er hatte einfach die Nase voll davon, jedes Mal wegzurennen, wenn so ein dahergelaufener Köter wie unserer des Weges kam.

    Jedenfalls erblickte er den Hund, machte einen Buckel und spuckte ihn mit so viel Abscheu im Gesicht an, wie ich es bei einer Katze bis dahin noch nicht gesehen hatte. Das Geräusch, das dabei aus dem kleinen Katermaul kam, klang wie ein Peitschenknall. Ein leiser – zugegeben. Aber fürs Anspucken verdammt laut.

    Der Hund erschrak so, dass er zurücksprang und sich vorerst weigerte, an dem Kater vorbeizugehen. Triumphierend thronte der Kater nun auf dem Pfosten und hob kurz darauf ungerührt seine rechte Pfote, um sich gelangweilt zu putzen. Er tat dabei, als sei es das Natürlichste auf der Welt, mal eben einen Hund zu verschrecken, der wenigstens dreimal so groß ist wie er selbst.

    Seit diesem Tag weiß ich, was es heißt, wenn eine Katze „speit“. Und ich weiß jetzt auch, dass Katzen dabei Geräusche von sich geben, die so gar nicht nach Schmusetierchen klingen, sondern nach dem, was Katzen eigentlich sind: kleine, aber nicht zu unterschätzende Raubtiere.

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