In dem Verlag, in dem ich mein Handwerkszeug erlernt habe, waren bestimmte Wörter verpönt. Wir durften sie nicht benutzen, wenn wir selbst etwas schrieben, und wir mussten sie löschen, wenn wir Texte lektorierten.
Dazu zählte das unscheinbare Wörtchen „man“. Und dafür gab es einen guten Grund: Wir sollten die Quelle jeder unserer Recherchen nennen und uns nicht hinter dem schnell dahingeschriebenen „Man“ verstecken. Jeder Leser sollte auf diese Weise die Ergebnisse unserer Arbeit nachprüfen und die Aussagen im Text besser einordnen können. Denn es ist eben nicht egal, ob z. B. die Autoindustrie oder Greenpeace den jährlichen Kohlendioxidausstoß durch Kraftfahrzeuge beziffert.
Also gab es kein „man“ in unseren Texten.
Andere Verlage handhaben das übrigens ähnlich. Und nicht nur die: Es gibt sogar Leser, die ein Buch sofort zur Seite legen, wenn ein bestimmtes Wort darin auftaucht, und Autoren, die manche Wörter so schlimm finden, dass sie sie wahrscheinlich nur benutzen würden, zwänge sie jemand mit vorgehaltener Pistole dazu.
Erst neulich habe ich über Probleme mit dem Wort „plötzlich“ gelesen. Dieses Wort kündigt oft kleinere oder größere Zufälligkeiten an. Und es gibt Menschen, die Zufälle aller Art in Romanen verabscheuen, obwohl sie im Leben ständig vorkommen. Sicher, es ist doof, wenn Kommissar Zufall einen Mord aufklärt, aber manche Zufälle sind doch erst das Salz in der Suppe einer Geschichte (ich denke da z. B. an die zwar folgerichtige, aber zufällige Sache mit Harry Potter und dem letzten Horkrux). Doch vielleicht wollte der Autor durch die Verwendung des Wortes „plötzlich“ gar nichts Zufälliges ankündigen, sondern nur deutlich machen, wie überraschend ein Ereignis für seine Hauptfigur war. Oder aber der Autor hat nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, bevor er es niedergeschrieben hat. Oder ein Lektor hat es eingefügt, weil er meinte, dem Satz fehle noch das gewisse Plötzlich.
Ich jedenfalls finde es übertrieben, wenn manche Menschen auf einzelne Wörter reagieren wie der Elefant auf die Maus. Man (höhö, jetzt verwende ich es wieder) kann doch problemlos über ein so kleines Wort wie „plötzlich“ hinweglesen. Man muss doch nicht in jedes Wort etwas hineininterpretieren. Zumindest bei Unterhaltungsliteratur nicht. Andererseits: Welche Literatur will nicht unterhalten, selbst wenn sie noch einen weiteren Zweck verfolgt? Doch das ist wieder ein ganz anderes Thema …
Die meisten Leser sind da sowieso eher gnädig. Und allen kann man es ohnehin nicht recht machen. Oder?